Auf der Buga einen Ausflug in die Welt der Dunkelheit wagen

REGION Aufschlussreiche Aktionswochen des Blinden- und Sehbehindertenverbands auf der Buga: Im Dunkel-Container bemerken Sehende, wie schwierig Orientierung sein kann und welche Probleme es im Alltag von Blinden gibt.
Von Reto Bosch
Die Tür fällt ins Schloss, die Dunkelheit legt ihr schwarzes Tuch um die kleine Besucherschar. Nichts, wirklich überhaupt nichts mehr ist zu sehen. So, als ob man keine Augen hätte. So, als ob man erblindet wäre.
Und genau darum geht es: Mit einem großen Dunkel-Container auf dem Buga-Gelände will der Blinden- und Sehbehindertenverband Württemberg (BSVW) noch bis zum 18. Juni die Buga-Gäste in mehrfacher Hinsicht sensi-bilisieren - für den Wert des eigenen Sehvermögens, für die Probleme der blinden Mitbürger.
Ganz unterschiedliche Bodenbeläge
Im Container sammeln Hände und Füße gerade so viel Informationen, dass es langsam voran gehen kann. Eine Hand an der Wand gibt Sicherheit, die Füße tasten sich vorsichtig voran. Die Bodenbeläge wechseln. Stahl, Stein, Moos. Ein verputzter Abschnitt imitiert Mauerwerk. "Für uns sind wechselnde Oberflächen sehr wichtig", sagt Wolfgang Heiler, Bezirksgruppenvorsitzender des Verbands.
Es ist ja auch generell so: Um sich in einem Leben in Dunkelheit fortbewegen zu können, müssen sich blinde und stark sehbehinderte Menschen ein Netz aus Markern knüpfen. Bodenbeläge, Wände, Geräusche: All diese Informati-onen dienen im Alltag der Orientierung.
Im öffentlichen Raum warten Herausforderungen und Risiken auf die be-troffenen Menschen. Der BSVW-Landesvorsitzenden Angelika Moser bereitet zum Beispiel die Entwicklung der Elektromobilität Sorgen. Verbrennungsmo-toren geben Geräusche von sich, das E-Auto nicht unbedingt. Zwar sei für Neufahrzeuge ab dem Jahr 2021 Pflicht, dass sie akustisch wahrnehmbar sind. "Aber was ist mit den vielen Autos, die bis dahin gebaut werden?", meint Moser. Es ist eine grundsätzliche Frage, die Belange von Blinden bei der Entwicklung von Technik zu berücksichtigen. "Wir versuchen, immer am Ball zu bleiben", sagt Wolfgang Heiler.
Nichts sehen, aber tasten, riechen und hören
Beim Tischball mit verbundenen Augen merken die Buga-Besucher, wie schwierig es ist, sich nur am rasselnden Geräusch eines Balles zu orientieren. Ist der Lärmpegel zu hoch, funktioniert das gar nicht mehr.
Die beiden Aktionswochen bis zum 18. Juni geben dem BSVW die Gelegen-heit, sich dem Buga-Publikum zu präsentieren. Der Dunkel-Container wurde von der Blindeninstitutsstiftung in Würzburg konzipiert. In dem speziell ausgestatteten Baucontainer können die Besucher zwar nichts sehen, dafür sollen sie tasten, hören und riechen.
Der Verband lässt sie außerdem blind Tischtennis spielen, simuliert per Tablet stark eingeschränktes Sehvermögen. Bis zum 8. Juni ist außerdem ein begehbares Auge vor Ort. "Wir klären auf über Augenkrankheiten und Hilfsmittel", sagt Sabine Backmund.
Tasse lässt sich leicht ertasten
Die meisten Besucher interessieren sich aber für den Dunkel-Container. Manche brechen schnell ab, ihnen ist zu warm, die Dunkelheit löst Beklemmungen aus. "Man muss sich auf die Container einlassen", sagt Wolfgang Heiler. Inzwischen ist die Gruppe am letzten Teil angekommen. "Lehnen Sie sich mal gegen die Wand." Tatsächlich sind Vibrationen zu spüren. Musik. Um die Ecke geht es darum, Gegenstände zu ertasten. Die Tasse bereitet keinerlei Probleme. Der Eierschneider dagegen schon.
Ein paar Meter weiter treten die Gäste wieder ins Licht. Die blinden und sehbehinderten Menschen können das nicht. Sie müssen in ihrer dunklen Welt bleiben. Das mag manchmal frustrierend, anstrengend, schmerzlich sein. Auf dem Aktionsgelände des Verbandes ist davon aber nichts zu spüren. Dafür viel Herzlichkeit und Freundlichkeit.

Quelle: Heilbronner Stimme vom 12.06.2019