03.06.2011: Tag der Sehbehinderung - Mit Blinden weiter sehen

Im Fahrstuhl sind die Stockwerke durch Blindenschrift und auch Erhabenheit der Zahlen ertastbar. (Foto: Derek Schuh)

Seit zwei Wochen wohnen Hans-Jürgen und Maria Pahl in der neuen Mehr-familien-Wohnanlage in der Hoyerstraße schon. Sie freuen sich, dass die Volksbank als Bauträger und das Architekturbüro Gessler & Bossert den Anliegen von Behinderten sehr entgegengekommen sind.

Über 30 Jahre leben die Pahls schon in Weingarten zusammen. Sie hat bei der Telekom gearbeitet, und er hat beim Kreis-Wehrersatzamt die Entwicklung der Elektronischen Datenverarbeitung aktiv begleitet. Gemein ist beiden, dass sie von Geburt an sehbehindert und nunmehr fast oder ganz erblindet sind. Zum Tag der Sehbehinderten am 06. Juni schildern Hans-Jürgen Pahl (64) und Maria Pahl (55), welche oft einfachen Hilfen das Leben erleichtern.

Weingarten im Blick (WiB): Was macht das Wohnen in der Hoyerstraße 45/1 angenehm?
Hans-Jürgen Pahl: Das beginnt schon an der Haustür: mit dem Schlüssel betäti-gen wir die Schließanlage, und dann öffnet sich eine Schiebetür. Gut ist auch der Fahrstuhl. Denn dort haben die Bedienknöpfe eine ertastbare Blindenschrift, und die Etagen werden jeweils angesagt. 
Maria Pahl: Uns ist wichtig, dass wir unseren Haushalt selbst führen können. Da helfen viele Details, darunter die zentrale und ertastbare Steuerung der Fußbo-denheizung. In der Wohnung und auf dem Weg von der Haustür zur Wohnung gibt es keine Barrieren. Da ich noch hell und dunkel unterscheiden kann, bin ich für die Bewegungsmelder dankbar, denn Licht gibt Orientierung.

WiB: Was hilft Ihnen im Alltag?
Maria Pahl: In der Wohnung wissen wir, wo was steht oder liegt. In der Küche etwa haben wir an den Schaltern fühlbare Markierungen angebracht, dann wissen wir, auf welcher Stufe etwa der Herd eingeschaltet ist. Und draußen kennen wir die Wege in die Innenstadt und zum Einkaufen (gut sind die Akustiksignale an Ampeln). Auf dem Weg orientieren wir uns durch Hören. Denn je nach Umgebung verändert sich der Trittschall: Wenn man Hecken passiert, klingt der Schritt gedämpft, und in engen Abschnitten hallt es.
Hans-Jürgen Pahl: EDV und Internet haben das selbständige Leben enorm erleichtert. Maschinenschreiben ist für Blinde ja kein Problem. Für das Lesen gibt es zwei Möglichkeiten: wir haben eine Sprachausgabe, über welche Texte vorgelesen werden. Und aktives Lesen ermöglicht ein Apparat, der Inhalte Zeile für Zeile in Blindenschrift (also Punkte-Gruppen) übersetzt und je eine Zeile fühlbar anzeigt.

WiB: Wie lebt es sich in Weingarten?
Maria Pahl: Schon vor Jahren hat unsere Stadt für sehbehinderte Einwohner und Gäste einen speziellen Blinden-Stadtplan herausgegeben. Inzwischen gibt es auch bei Baustellen bessere Orientierugnshilfen.
Hans-Jürgen Pahl: Für uns sind öffentliche Verkehrsmittel unerlässlich. Da hilft die nahe Bushaltestelle, und als angenehm empfinden wir die BOB-Haltestelle. Denn dort hat die Stadt gelbe Orientierungsstreifen angebracht.

WiB: Und was könnte Weingarten noch zusätzlich anbieten?
Maria Pahl: Eine blindengerechte Ausgabe von Weingarten im Blick über das Internet!

Quelle: Christoph Stehle, Weingarten im Blick, Ausgabe 21/2011