Der diesjährige Ausflug der Frauengruppe des BSVW fand am 08.09.2018 statt. Die aus verschiedenen Richtungen kommenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer trafen sich um 09:50 Uhr beim Infopoint am Stuttgarter Haupt-bahnhof. Gemeinsam ging es dann mit dem Zug um 10:15 Uhr weiter nach Lauffen am Neckar. Bei herrlichem Spätsommerwetter trafen wir dort gegen 11:00 Uhr ein und wurden gleich am Bahnhof von der Leiterin der Frauen-gruppe, Regine Sigl, und dem Winzerehepaar Martina und Gotthard Buck be-grüßt.
Regine entstammt einer Winzerfamilie. Sie wollte uns den Weinanbau, die Atmosphäre erleben und erspüren und natürlich auch die guten Ergebnisse der Arbeit der Winzer verkosten lassen. Gleich zu Beginn bekam jeder blinde und sehbehinderte Teilnehmer ein Stofftäschchen mit Inhalt – einem Wein-glas – um den Hals gehängt. Das war ganz praktisch gedacht, da wir ja mit der einen Hand bei unserer Begleitung unterhaken und mit der anderen den Blindenstock benutzen. Zum Einstieg gab es gleich die erste Weinprobe. Ein-geschenkt wurde ein „Schwarz-Weiß“. Dieser wird von einer Rotweintraube gewonnen. Weil der Saft jedoch gleich von der Maische getrennt wird, ge-winnt man einen köstlichen Weißwein.
Regine hatte für uns eine Planwagenfahrt organisiert. Sie hat die 51 Teilneh-merinnen und Teilnehmer auf drei verschieden große Gefährte eingeteilt. Frau Buck erklärte und beschrieb uns die Wagen. Sie haben eine orangefarbene Plane. Der größte Wagen kann über 20 Personen aufnehmen und wird Carrus genannt. Der mittlere ist die Carrusine und der kleinste ist das „Kärrele“. Ge-zogen wurden die Wagen jeweils von einem Traktor. Weil so schönes und warmes Wetter war, konnten die Planen an der Seite nach oben gerollt wer-den. Und schon ging die luftige und lustige Fahrt los. Zunächst ging es durch die Stadt Lauffen, mit einer kurzen Unterbrechung für einen Toilettenbesuch. Wir mussten ja Platz schaffen für die folgenden Weinverkostungen. Dann ging es über die alte Brücke bergauf in die Weinberge. Während der Fahrt wurden wir von sehenden Helfern unterstützt und mit einem rustikalen Vesper ver-sorgt. Behälter mit mundgerecht geschnittenen Dauerwürsten und Käsewür-feln gingen von Hand zu Hand. Jeder konnte sich nach Belieben bedienen. Auch ein wohlschmeckendes Brot wurde uns gereicht. Neben den Weinproben gab es auch Mineralwasser oder Traubensaft zu trinken. Gut gestärkt erreich-ten wir die Weinberge. Hier stiegen wir aus und begaben uns in die Reben. Herr Buck erzählte uns viel Interessantes und Wissenswertes über den Weinanbau, die Arbeit während des Jahres und natürlich auch über die derzeit stattfindende Weinlese. Da es immer schwieriger wird, Mitarbeiter für die Weinlese zu bekommen, werden heute auch hier Maschinen eingesetzt. Hier-für ist es erforderlich, dass die Reihen der Rebstöcke nicht zu eng sind. Der Vollernter schüttelt die reifen Reben mit den Trauben ab und sammelt sie auf einem Gitter. Auch wir durften von den reifen Früchten naschen. Die Trauben schmeckten sehr süß. Aufgrund des guten Sommers und der vielen Sonnen-stunden ist in diesem Jahr eine gute Weinqualität zu erwarten. Die Rot- und Weißweinsorten werden nach der Lage, in der sie gedeihen, benannt. Der „Lauffener“ heißt beispielsweise „Katzenbeißer“. Der Lemberger kam vor ca. 150 Jahren von Österreich nach Deutschland. Damit die Reben genügend Wasser bekommen, wurde hier eine Bewässerungsanlage eingerichtet. In je-der Reihe befinden sich in Kniehöhe Schläuche, die in gewissen Abständen Löcher haben. Dadurch können die Weinstöcke direkt bewässert werden. Das nötige Wasser wird dem Neckar entnommen. Das System wird durch einen Computer gesteuert und dieser schaltet alle sechs Stunden auf eine andere Parzelle um.
Unser Spaziergang führte uns an verschiedenen Weinsorten vorbei. Dann er-reichten wir einen wichtigen historischen Ort. Kurz bevor in den Siebzigerjah-ren die Flurbereinigung in den Weinbergen stattfand, entdeckte ein Archäolo-ge die Reste eines römischen Gutshofes. Diese wurden freigelegt und es sind vier Hauptgebäude sehr gut erhalten. Die gesamte Hoffläche umfasst ca. ei-nen Hektar. Es gab ein Holzmodell zum Abtasten, so dass wir uns die Anord-nung und Größenverhältnisse der Baulichkeiten gut vorstellen konnten.
Hier gab es einen schönen Platz für die Mittagspause. Frau Buck und ihre Hel-fer bereiteten leckere Sachen vor. Angeboten wurden Fleischküchle oder Fleischkäse im Wecken mit Salatgarnitur oder für Vegetarier einen angemach-ten Käse. Dazu schmeckte natürlich wieder ein guter Tropfen.
Nach der Mittagspause ging die Fahrt wieder zurück in das Städtchen. Unser Ziel war das Rathaus. Wir verließen unsere Planwagen und begaben uns zum alten Hölderlindenkmal. Johann Christian Friedrich Hölderlin wurde 1770 in Lauffen geboren. Er war einer der bedeutendsten Dichter Deutschlands neben Schiller und Goethe. Weil sein Vater bald starb, zog seine Mutter mit ihm 1774 nach Nürtingen. Nach einem bewegten Leben starb Friedrich Hölderlin 1843 in Tübingen. Das neue Hölderlindenkmal befindet sich in der Mitte eines Verkehrskreisels. Gestaltet wurde es von dem berühmten Künstler Peter Lenk. Er zeigt in seinem Kunstwerk das Leben des Dichters von der Kindheit bis zum Tod.
Das Städtchen Lauffen hat ungefähr 11.000 Einwohner. Noch heute wird der Teil Lauffens auf dem rechten Neckarufer „Städtle“, der auf dem linken „Dorf“ genannt.
Das Dorf entstand um 600 im Zusammenhang mit einem Herrensitz auf dem Kirchberg. Der befestigte Sporn und die weite ehemalige Neckarschlinge si-cherten Besitz und Leben der Anwohner. Im Dorf stand (und steht) die Pfarr-kirche, waren die Schulen, wohnten die meisten herrschaftlichen Beamten; das Dorf hat eine große Markung mit Weinbergen, Wiesen und Gehölzen.
Die Stadt entstand um 1200 nach dem Willen des Adels, der Grafen von Lauf-fen und der Markgrafen von Baden. Aber eine kleinere Markung, die Ungunst der politischen Entwicklung und die Konkurrenz des Dorfes ließen das „Städtle“ nie hochkommen. Es war immer wesentlich kleiner als das Dorf, die Steuerlasten wurden z. B. im Verhältnis 2:5 umgelegt, wie es den Bewohner-zahlen entsprach.
Vernünftigerweise arbeiteten die gleichnamigen Teilorte meist zusammen. Sie hatten ein gemeinsames Rathaus in der Stadt, wo ein gemeinsamer Rat und ein gemeinsames Gericht tagten; die Burgmühle wurde gemeinsam betrie-ben; selbst eine gemeinsame Kasse, im 18. Jahrhundert die Steuerverwaltung genannt, hatten sie neben einer für jeden Ortsteil zuständigen. Dennoch dau-erte es bis zum 1. April 1914, bis sich die längst verschwisterten Teile zum gemeinsamen Ganzen, der Stadt Lauffen am Neckar, verbanden.
Die frühere Martinskirche wurde später in Regiswindiskirche umbenannt. Der Legende nach war Regiswindis die Tochter der Kaiserfamilie. Sie ist eine En-kelin von Karl dem Großen. Das Mädchen wurde mit sieben Jahren von ihrer Amme umgebracht und in den Neckar geworfen. Dies geschah, weil der Vater des Kindes den Bruder der Amme wegen eines kleinen Vergehens ungerecht behandelt hatte. Nach ein paar Tagen wurde Regiswindis am Ufer angespült und zeigte keinerlei Verwesungsmerkmale. Dies galt bei der Bevölkerung als Wunder und im Laufe der Zeit entwickelte sich die Regiswindiskirche zu ei-nem Wallfahrtsort.
Herr Buck hat ein sehr umfangreiches Wissen und er wollte uns vieles davon vermitteln. Das Landstück, auf dem wir uns gerade befanden, ist Schwemm-land. Durch viele Neckarhochwässer ist dieses entstanden. Das Gebiet war oft bis zu 5 oder 6 Meter hoch überschwemmt. Hochwasser gab es jetzt keines, aber nochmals einen guten Kernerwein zum Abschluss. Wir bekamen sehr gu-te Weine zum Verkosten. Wein ist Geschmackssache und nicht jeder schmeckt jedem gut. Ein sehr interessanter und erlebnisreicher Tag ging zu Ende. Wir bestiegen wieder unsere Gefährte. Es war Zeit, uns zum Bahnhof zu begeben. Es gab noch die Möglichkeit, bei Familie Buck Wein einzukaufen. Um 16:34 Uhr fuhr unser Zug nach Stuttgart zurück. Von hier aus verstreuten wir uns wieder in alle Richtungen.
Am Schluss sage ich ein herzliches Dankeschön dem Ehepaar Sigl für die Or-ganisation und dem Ehepaar Buck für die hervorragende Durchführung sowie allen Helfern, die zum guten Ablauf maßgeblich beigetragen haben. Dass niemand etwas passiert ist, verdanken wir auch den umsichtigen Traktorfah-rern und allen Begleitern. Jeder Teilnehmer hat durch sein Mitmachen und Dabeisein zum guten Gelingen beigetragen.

Verfasser: Karl-Josef Edelmann