Ein Tag in der „Schwäbischen Toskana“

Ausflug der Frauengruppe am Samstag, 25.06.2022

Unser Ausflug startete um 10:00 Uhr in Stuttgart mit dem Bus. Umsichtig fuhr der „Kleine Stuttgarter“ mit uns bis zum Ziel: Malerisch an einen Steilhang geschmiegt, umgeben von Weinbergen liegt die Ortschaft Hausen an der Zaber. Inmitten eines mediterranen Gartens überragt eine aus der Römerzeit stammende Jupitergigantensäule die Ortschaft. Sie war ein Weihedenkmal für Jupiter und Juno, die beiden höchsten Götter der Römer.
Dort erwartete uns Frau Keller mit einer weißen Lilie. Diese duftende, elegante Blume war bereits den Römern heilig, sinnbildlich für die Göttin Juno. Nach der Christianisierung hat die Lilie nicht an Bedeutung verloren, sie ist auch als „Madonnenblume“ bekannt. Auch der Duft des Muskatellersalbeis berauschte nahezu unsere Sinne. Zusammen mit dem Obst- und Gartenbauverein kümmert sich Gertraud Keller mit Hingabe um diesen ganz besonderen Garten. Gebannt lauschen wir ihren interessant erzählten Geschichten rund um die vielen Pflanzen und aus der damaligen Götterwelt. Ein Granatapfelbaum faszinierte uns mit seinen Blüten ebenso wie ein stattlicher Olivenbaum. Neben duftender Blumen und Sträucher gedeihen schmackhafte Kräuter, die bereits die Römer zur Verfeinerung ihrer Speisen angebaut haben. Mit unseren Händen erkundeten wir die Darstellungen des unteren Teils der Säule. Es besteht aus einem großen Quader, auf allen Seiten ist eine andere Gottheit als Relief dargestellt: Diana, die Göttin der Jagd, Venus Göttin der Liebe mit ihrem Partner Vulkanus und Apollo. Ein Adler, der Begleiter des Götterkönigs Jupiter, stützt mit seinen ausgebreiteten Schwingen einen Eichenkranz mit Blättern und Eicheln. Das Denkmal gilt als eines der schönsten, größten und am vollständigsten erhaltenen seiner Art. Das Original befindet sich in Stuttgart im „Römischen Lapidarium“.
Bei einem Stück Panis Militaris, ein traditionell gebackenes Brot, und Mulsum, ein gewürzter Weißwein, erfuhren wir den Ursprung der dunklen und hellen Jahreszeit:
Proserpina wurde wegen ihrer Schönheit vom Gott der Unterwelt geraubt. Mutter Zeres aber lies nichts unversucht und konnte Proserpina wenigstens wieder für die Hälfte des Jahres für die Oberwelt zurückgewinnen.
Ein Mosaik der Fruchtbarkeitsgöttin Zeres, aus Antik-Marmor gefertigt, befindet sich in einem der Mittelpunkte des Gartens.
Nachdem unser Durst gestillt, der Magen mit dem köstlichen Brot beruhigt war und die Sinne angeregt waren, fuhren wir mit dem Bus ein kurzes Stück zurück in die Weinberge. Doch halt, das hätte ich fast vergessen: Zum Nachtisch wurden wir mit einer frisch vom Baum gepflückten schwarzen Maulbeere verwöhnt! - Nebst einer romantischen Liebesgeschichte die besagt, weshalb die leckeren Beeren schwarz sind.
Auf naturbelassenen Wegen spazierten wir ein Stück durch die Weinberge.
Die „Steinhälde“ liegt am Südwesthang. Trockensteinmauern der terrassierten Weinberge sind signifikant für eines der ältesten Kulturlandschaften überhaupt. Die Weinberge in solchen Steillagen müssen auch heutzutage noch von Hand bewirtschaftet werden. Genügsame Pflanzen, die wenig Wasser, Erde und viel Wärme lieben, gedeihen auf den sonnenverwöhnten Kalksteinmauern. Weiß blüht die mehlige Königskerze, gelb sind die Blüten des Gerberichs, rot der Klatschmohn. Kaum jemand in der ‚Gruppe hat jemals zuvor die Blüte einer wilden Karotte gesehen. Der Geruch der Blätter ist eindeutig! Ins Auge sticht die Malve mit ihren purpurroten Blüten. Ebenso wie der blau-violette Busch des Luzern, der seine Blütenpracht über die Mauern hängen lässt und Schmetterlinge und Insekten magisch anzieht. Sie wurzeln in schmalen Mauerritzen: Die kleinen Öffnungen dienen aber auch Weinbergschnecken, Blindschleichen und Eidechsen als Unterschlupf. Im weiter oben liegenden Fels brüten mit Vorliebe Blau- und Kohlmeißen. Der Gesang von Goldammern begleitete uns den gesamten Weg:“ Ich hab Dich doch so liiiiib, pip pip piiiip“ so klingt die Melodie ihres Liedes.
Wir durften ein gut begehbares „Wengertstäffele“ hinaufklettern. Dort oben ist ein Unterschlupf aus Sandstein, wie eine Höhle im Fels. An deren Rückseite ist eine Mauernische als Naturkühlschrank zu finden. Die Menschen damals wussten sich zu helfen!
Unser Weg endete an einer Sand-/Kalksteinmauer, die von einem uralten Steinbruch flankiert wird, aus dem hohe Bäume weit über die Ebene ragen. In deren Schatten hatten die fleißigen Helfer des Obst- und Gartenbauvereins Bierbänke aufgestellt, Getränke herbeigebracht und ein Grillfeuer entfacht. Der Wettergott meinte es sehr gut mit uns, die Sonne schien mit der typischen Intensivität für Ende Juni. Und so waren am Ende des Weges alle hungrig und vor allem durstig. Butterbrezeln, am Feuer gegrillte Würstchen mit einem guten Schluck Weinschorle oder anderen Softdrinks wurde schnell Abhilfe geschaffen.
Ein romantisches „Wengerthüterhäusle“ aus dem 18. Jahrhundert, komplett aus Kalksandstein erbaut, erwartete uns mit seinen Besonderheiten: Wir lauschten romantischen Geschichten und erträumten uns in die Zeit, als die Weinberge von Wengerthütern Tag und Nacht bewacht wurden. Die Zeit, als der „Steinhälden-Fritz“ von der „Kaiwaldhexe“ besucht wurde. An dieser exponierten Lage kann man die „wilde Karde“ finden: Eine Besonderheit in der Pflanzenwelt! In den Blattachseln, die aus einem kräftigen Stiel wachsen, sammelt sich Regenwasser, das Insekten im trockenen Sommer als Tränke dient und auch als „Venusbad“ bekannt ist. Mit ihren lila Blüten sieht sie fast wie eine Distel aus.
Mit dem Volkslied „Kein schöner Land in dieser Zeit“ verlassen wir diesen geschichtsträchtigen Ort. Auf dem Rückweg wurden wir von Renate, die Kollegin von Frau Keller, begleitet. Sie kennt sich als Heilpraktikerin bestens mit heilenden Inhaltsstoffen von Pflanzen aus: Schafgarbe, Spitzwegerich, Holunder, die Schlehe, um nur wenige zu nennen.
Unsere sehenden Begleitpersonen waren vom prächtigen Ausblick begeistert: Der Michaelsberg war bereits in der Antike ein heiliger Ort. Heute krönt eine katholische Kirche mit einer Jugendherberge den markanten Vulkankegel.
Verschwitzt und müde und voller Eindrücke treten wir die Heimreise mit dem Bus an. Ein wirklich ereignisreicher, eindrucksvoller Tag liegt hinter uns. Kaum jemand hätte gedacht, in dieser eher unbekannten Region so viel Interessantes zu entdecken!
Unser Dank gilt Gertraud Keller und ihren fleißigen Helfer*innen des Obst- und Gartenbauvereins Hausen a.Z. Sie erst machten diesen Tag für uns unvergesslich!

Lauffen, 27. Juni 2022
Regine Sigl, Leiterin der Frauengruppe des BSV Württemberg e.V.